Von Hand genähter Prinzessrock
Wenn man an historische Mode denkt, denkt man unwillkürlich an steife Kragen, einengende, unbequeme Korsetts und voluminöse unpraktische Röcke. Teilweise mag das auch stimmen, aber nicht alles war dermaßen unbequem, dass man es heutzutage nicht mehr tragen könnte.
Den ersten Prinzessrock (auch Corselet oder Corset Skirt genannt) hab ich in The Delineator von 1893 gefunden. In der Zeitschrift von 1893 hat er eine hohe Taille, die bis unter die Brust geht, vorn spitz ist und mit Stäben verstärkt wurde, wodurch man gezwungen war gerade zu gehen. Er ist weit ausladend (was absolut zu der Mode um 1880-1890 passt), besteht aus 8-9 Bahnen und ist bodenlang. Hinten ist er länger und ausladender, als vorn.
Ein universeller Rock der damaligen Zeit
Der Rock muss ziemlich beliebt gewesen sein, denn in The Delineator von 1909 gibt es verschiedene Modelle. Mit 4 Bahnen, 5, 7 oder 8, seitlicher Knopfleiste oder Verschluss hinten, knöchellang oder mit Schleppe. Er scheint ein universeller Rock gewesen zu sein, den man immer wieder weiter entwickelt hat und der je nach Anlass passend gemacht wurde. Ob für die Abendgarderobe oder nur für zu Hause.
Was aber alle gemeinsam haben ist die hohe Taille und der eng anliegende Sitz über den Hüften, was eine schlanke Silhouette gibt.



Charakteristisch für die Mode um den 1. Weltkrieg waren einfachere Schnitte und schlanke Silhouetten. Viele Frauen mussten arbeiten gehen und da waren bodenlange und weit ausladende Röcke eher unpraktisch. Auch die Taille war nicht mehr spitz, sondern hatte einen geraden Abschluss.
Wie man im Zeitungsausschnitt rechts lesen kann, wird empfohlen, dass man 1-2 solcher Röcke im Schrank haben sollte, die nicht speziell auf ein bestimmtes Oberteil passen, sondern vielseitig kombinierbar sind. Ganz beliebt war der 4 Bahnen-Rock, den man mit mittlerer Weite gestalten konnte und so zu konventionellen Anlässen anziehen konnte. Das Material wurde dabei auch immer dem Anlass entsprechend gewählt. Ganz nach persönlichen Vorlieben konnte er an der Seite oder hinten geschlossen werden.

Wie hab ich meinen Prinzessrock genäht?
Meinen Prinzessrock hab ich ehrlicherweise nach einem Schnittmuster von Etsy genäht (was bei mir sehr selten vorkommt, dass ich mir Schnittmuster kaufe). Den Taillenabschluss habe ich gerade gehalten und auf die Stäbe als Verstärkung verzichtet. Da der Stoff, eine Woll-Polyester-Mischung mit hohem Wolle-Anteil, von sich aus etwas stärker und stabiler ist, sitzt die Taille trotzdem perfekt. Auch hab ich die Taille etwas kürzer gewählt, als im Original Schnittmuster. Den Stoff hab ich von Maries Kit, wo es herrliche Naturstoffe gibt.
Der Futterrock
Aus fließendem Futterstoff hab ich mit dem gleichen Schnittmuster den Innenrock genäht und ihn dann an den Außenrock genäht. Hinten hab ich einen nahtverdeckten Reißverschluss eingenäht. Die knöchellange Länge ist genau richtig, damit er nicht auf dem Boden schleift und trotzdem alles bedeckt und Wärme bietet.
Der bequemste Rock, den ich jemals getragen habe.
Für mich ist es der bequemste Rock, den ich jemals getragen habe. Es kneift nichts, zwickt nichts und einengend ist er überhaupt nicht. Da sind Jeanshosen mir mittlerweile viel unbequemer geworden. Je nach Stoffart fällt er natürlich anders. Nimmt man leichteren Stoff, z. B. Leinen, dann schwingt er natürlich ganz anders und flattert mehr um die Beine. Aber näht man ihn aus Wollstoff, dann hält er einen auch im Winter herrlich warm und man möchte ihn gar nicht mehr ausziehen.
Es ist wohl der vielseitigste Rock-Schnitt, den ich bisher gesehen habe mit seinen unzähligen Möglichkeiten an Designs und Verschlussarten und es wird bestimmt nicht der letzte in meiner Garderobe sein.

